Nachtsang-Geläut in Gütersloh

Historie der Glocken in der Martin-Luther-Kirche

Die Martin-Luther-Kirche (damals zuerst `Neue Kirche´, dann `Auferstehungskirche´) wurde 1861 eingeweiht, 1866 wurden drei Glocken im Glockenturm aufgehängt. Der Glockengießer Lohmeyer in Gütersloh bekam den ehrenvollen Auftrag, die Glocken für seine Heimatgemeinde zu erstellen.

Die große mittig hängende Glocke mit dem Ton "C" wird per Hand über ein Seil angeschlagen, die beiden seitlichen kleineren Glocken mit den Tönen "E" und "G" jeweils mit Fußpedalen über ein Gestänge. Bei vollem Geläut - also bei freischwingenden Glocken wie in Teil 2 und Teil 4 des Nachtsanggeläuts - wird die jeweilige Fußpedale ausgehakt, ansonsten würde das Gestänge durch den Antrieb zerstört werden. Einmal ist dies bisher geschehen, und nur Dank der schnellen Hilfe eines befreundeten Maschinenbaubetriebes konnte die Saison 1997/98 ohne Ausfall fortgesetzt werden.

Die mittelgroße Glocke trug die Inschrift "Ich töne laut mit schönem Klang und rufe oft zum heilgen Gang. O, daß doch alle darauf hörten und Gott den Herrn mit Freuden ehrten", sie wurde von Johannes Friedrich Poggenclas gespendet.
Die Inschrift der kleinen Glocke lautet "Gloria in Excelsis Deo" und wurde von den Frauen der Gemeinde gestiftet.
Die große Glocke wurde von der Kirchengemeinde selbst bezahlt.

1917 wurde beschlossen, dass die Glocken der Auferstehungskirche (heute Martin-Luther-Kirche) nicht für den Krieg eingeschmolzen werden müssten, da sie von musikalischem und historischem Wert waren. Trotzdem entschieden die patriotischen Gütersloher nur ein Jahr später, die kleinste Glocke freiwillig abzugeben. Sie wurde daraufhin zerstört. Allerdings war der Krieg zu Ende, bevor das Material der Glocke genutzt werden konnte. Deshalb kauften die Gütersloher die Bronze-Masse der kleinen Glocke zurück, um daraus eine neue Glocke gießen zu lassen. Jedoch passte der Ton der neuen Glocke nicht zu den beiden anderen Glocken.
Die neue Glocke wurde darum in der Apostelkirche nur wenige Meter weiter am Alten Kirchplatz, der Urzelle von Gütersloh, aufgehängt. Die Martin-Luther-Kirche bekam dafür die `Benedictina´ aus der Apostelkirche, die vom Ton her zu den beiden anderen Glocken im Glockenturm passte. Die `Benedictina´ stammt aus den Jahren 1484/85 und wurde ursprünglich für das Stift Bustorf gegossen. Bei dessen Auflösung 1809 in Folge der Säkularisation wurde die Glocke von der Gütersloher Gemeinde für die Apostelkirche erworben.

1942 wurden alle Glocken für die Herstellung von Waffen beschlagnahmt. Die `Benedictina´ konnte jedoch vor dem Einschmelzen gerettet werden. Am Ende des Zweiten Weltkrieges war die kleine Glocke bereits vom Kirchturm herabgelassen worden, aber bevor am nächsten Tag die Glocke abtransportiert werden konnte, verschwand sie in der Nacht auf wundersame Weise und wurde erst nach Ende des Krieges in einem Garten unter vielen Zweigen und Laub "wiederentdeckt". Der damalige Küster Bermpohl und unbekannte Freunde sollen diese Rettungstat durchgeführt haben, aber definitiv bestätigt wurde dies nie ...

Heute befinden sich im Glockenturm wieder drei Glocken. Zwei neue Glocken wurden 1947 von Gustav H. Wolf, dem Besitzer der Gütersloher Firma Drahtwolf, gespendet und von der Glockengießerei A. Junker in Brilon hergestellt. Noch heute wird mit der `Benedictina´ und den zwei neuen Glocken die lange Tradition des Nachtsang-Geläuts in Gütersloh fortgesetzt.

Die kleine `Benedictina´ wird nach dem Krieg wiedergefunden und - gemeinsam mit zwei neuen Glocken - in den Glockenturm der Martin-Luther-Kirche hinaufgezogen. Dort hängt sie bis heute und ist wichtiger Bestandteil des einzigartigen Nachtsang-Geläuts in Gütersloh.
Sie ist eine der ältesten aktiv geläuteten Glocken Deutschlands!

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